KANADA 2019 – SIEBEN
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KANADA 2019 – SIEBEN

14 Jul 2019, Posted by Martin in Kanada | 2019

Der Weg von Victoria nach Tofino auf Vancouver Island beträgt zwar nur gut 300 km. Doch mit Pausen, Maximaltempo von 90 km/h auf der anfangs gut ausgebauten zweispurigen Straße, die einer Autobahn ähnelt, allerdings selten von Ampelkreuzungen unterbrochen wird, später auf weniger ausgebauten, einspurigen Straßen und Serpentinen mit der Überbrückung von gut 1000 Metern Höhe brauchten wir ca. 6 Stunden. Es war eine schöne Fahrt durch eine stellenweise beeindruckende Landschaft, wir fuhren durch dichte Wälder mit sehr großen Bäumen, an größeren Seen, am Meer und an beeindruckenden dicht bewaldeten Abhängen vorbei, sahen in der Entfernung Berggipfel, deren Spitzen mit Schnee bedeckt waren. Wie ich in Victoria von einem hier wohnenden Mann, über den ich noch kurz nach den folgenden Bildern berichte, hörte, sind Victoria und Vancouver Island die „Hotspots“ im Winter, oftmals bleibt die Temperatur kurz über Null Grad, wohingegen in anderen Gegenden in Kanada die Temperaturen auf bis zu -40 Grad sinken. Die zum Beheizen der Wohnungen notwendige Energie ist mit ein Grund für die hohen Kosten, die Kanadier teilweise für Wohnen aufwenden.

Am letzten Abend in Victoria lief ich zum Paparazzi, einer Keller-Bar mit Dancefloor, der einzigen schwulen Lokalität und trank dort ein Bier, na ok, es waren 2 kanadische leckere Biere. Es waren wenige offensichtlich schwule Gäste dort und eine größere Gruppe straighter, junger Gäste, die ihren Abend feiernd beendeten. Ein älterer Mann mit einem Eishockeytrikot und einer längeren Silberkette mit einem Kruzifix betrat den Laden, er kannte den attraktiven, freundlichen Barkeeper und brachte seine mitgeführte Sporttasche in einen Hinterraum. Es ließ nicht lange auf sich warten, als er auf mich zu steuerte und mich ansprach. Auch er ließ nicht in mir das Gefühl entstehen, bedrängt oder belästigt zu werden, es ergab sich ein freundliches Gespräch. Ich bemerkte kurz als er auf dem Barhocker saß und seine Hand auf seinem Bein abstützte das Zittern seiner Hand, dachte kurz an Parkinson. Wir sprachen über Kanada und Europa. Er fragte irgendwann nach meinem Beruf in meiner Heimat. Als ich ihn ihm nannte, äußerte er sofort offen, dass er ja mit Schizophrenie und Depression betroffen sei. Er schien medikamentös eingestellt zu sein, denn er wirkte klar und im Kontakt unauffällig, möglicherweise erklärte dies sein Handzittern, extrapyramidale Störungen z.B. Handzittern als mögliche Nebenwirkung längerer Neuroleptikaeinnahme mit dem Vorteil, dass z.B. akustische Halluzinationen im Griff sind. Er erzählte kurz, dass er die Bar später noch putzen wird, das sei sein Job hier. Es kam ein überaus attraktiver ca. 30 jähriger Mann dazu, den er auch kannte. Ich konnte ihrem Gespräch in kanadischem Englisch bei Konzentration darauf einigermaßen folgen. Es war ein angenehmes Aufeinandertreffen von hier lebenden Menschen mit mir.

Zurück zur Fahrt nach Tofino. Den ersten längeren Stopp machten wir in Port Alberni, dem letzten größeren Ort vor der Pazifikseite von Victoria Island, an der sich nur wenige kleine Orte, so Tofino befinden. Port Alberni ist kein Ort am Meer, sondern an Beginn einer breiteren Stelle eines längeren Flusses, der in den Pazifik mündet.

Unterwegs ergab sich wie häufiger zwischen K. und mir ein anregendes Gespräch, es läuft auf unseren Autofahrten bisher sehr wenig Musik, wir genießen die Landschaft, das Schweigen oder mal ein anregendes Gespräch. Es ging um private Themen der eigenen Person, der jeweiligen Familie, über den Blick auf sich und die Welt.

3 km vor Tofino am Ziel angekommen beeindruckte uns sofort unsere über AirBNB gebuchte Unterkunft, ein kleines Holzhaus, das man über einen Weg erreicht, auf dem gerade noch Davie durchpasste, mitten im Wald, sehr detailverliebt eingerichtet, mit einer überdachten Terrasse mit Blick in den Wald auf Grün sehr schön und atmosphärisch. Der Besitzer Trevor lebt mit seiner Frau, seinen beiden Töchtern und einem Labrador in einem Holzhaus, das sich in Sichtweite auf einem bewaldeten Hang bei unserer Unterkunft befindet. Die Familie ist ausgeflogen, wie er mir schrieb zu einem Musikevent über das Wochenende gefahren. Gelegentlich kommt eine Hundesitterin und führt den Labrador aus. Ein Detail der Unterkunft störte zunächst: Die Wlan-Verbindung unserer Geräte zum Router klappte, die Verbindung zum Internet-Provider war jedoch unterbrochen, wie ich beim Blick auf die Browseroberfläche des Routers, dessen Zugang ich hinbekam, sah. So sitzen wir mitten im Wald ohne Internet. Disconnected. Wir führen später noch nach Tofino, schauten uns ein wenig um. Wir kauften einige Lebensmittel ein, hier hatte ich kurz den freien Wlan-Zugang eines Geschäftes, ich schrieb F. kurz, dass ich erst mal nicht mehr per Internet erreichbar sein würde.

Nach einem kleinen Essen auf der Terrasse, ich habe durchgängig bisher kaum ein Hungergefühl, ich esse hier deutlich weniger als in der Heimat, liefen wir in der frühen Abendsonne, einigermaßen klarem Wetter bei milden Temperaturen an den fußläufig erreichbaren Chesterman Beach,  ein recht breiter langgezogener Sandstand mit kleineren vorgelagerten Inselchen. Wir liefen eine Stunde am Strand entlang. Die Wahl der Bilder für diesen Post fiel mir schwer, so sind es einige Bilder mehr…

Es gibt hier einige Strandgänger, die ihren Hund dabei haben. Wie Sirius in Portugal tollen die Hunde am Strand herum, es ist offensichtlich, dass sie sich wohl fühlen und froh sind, ihr Herrchen oder Frauchen in den Urlaub begleiten zu dürfen…

Am ersten Abend in Tofino saß ich noch mehrere Stunden auf der Terrasse suchte Bilder für den Blog aus, bearbeitete sie etwas, schrieb diesen Text und hoffte, dass am Folgetag der Internetzugang läuft. Sonst würde es mit dem Laptop in ein Cafe in Tofino gehen und ich würde dort die Verbindung zur Welt herstellen. Es war zunächst ein ungewohntes Gefühl am Abend, ohne Internetzugang hier zu sitzen. Ich beschloss den Abend mit Rachmaninow auf den Ohren und dem Blick in den dunklen Wald. Rachmaninow gehört zu meinen selteneren Musikgenüssen, reiht sich zur Musik meiner Jugend ein, ich hörte alle Romantiker, insbesondere Klavierkonzerte von Chopin, Tschaikowsky, Rachmaninow und Prokofiev. Gerade jetzt sind meine Gedanken bei einem Mann aus der Nähe von Hannover. Vielleicht wird er grinsen, wenn er dies liest.

In diesem Moment sitze ich gerade in einem Cafe in Tofino. Ich erfuhr inzwischen vom Gastgeber, dass das Kabel, welches oberirdisch die Gegend um die Unterkunft herum mit Internet versorgt, von einem Müllwagen gekappt wurde, es würde schnell repariert werden.

Heute waren wir vormittags auf 2 Trails und am Stand unterwegs. Zunächst landeten wir auf dem Bog Trail, hier stehen unzählige bonsaieske, krummgewachsene Nadelbäume.

Der Rainforest Trail war in anderer Weise beeindruckend, auf einem 1 km langen Holzbohlenweg auf Stelzen läuft man durch einen atmosphärischen Regenwald mit sehr alten hohen Bäumen, unzähligen Farnen, moosbewachsenen Bäumen.

Unsere Tour beendeten wir über den Combers Beach Trail zum Long Beach, an dem wir eine kleine Fotosession machten – zwei sexy Kerle auf Tour 😉

Die Gegend um Tofino erscheint mir unwirklich, die Wälder muten wie Plätze in Fantasiefilmen an, die Menschen, die hier zu Besuch sind, sind keine Standardpauschalurlauber, mehr Naturliebhaber oder Surfer. Wohlhabendere Menschen sind hier vermutlich in teuren Ressorts oder wohnen in ihrer Holzvilla am Pazifik, ihnen begegnen wir kaum. Es fehlt mir hier eigentlich nur eins, vielleicht auch noch etwas anderes: Ich bin Urlaub in der Sonne mit Baden im Meer gewohnt, mir fehlen die Hitze und die Sonne etwas. Tagsüber klart es etwas auf, die Sonne blinzelt durch die Wolken, die Temperaturen liegen tagsüber um 20 Grad, Hitze und blauen Himmel gibt es hier nicht. Außerdem ist ein Urlaub mit einem guten Freund doch noch etwas anderes als Urlaube mit einem lieben Lebensgefährten, so sind Urlaube in Malaysia, Barcelona, Spanien und Portugal mit meiner letzten großen Liebe anders im Herzen abgespeichert. Zugleich mag ich keine wertenden Vergleiche anstellen. Sehr schön, atmosphärisch, erholsam in meiner aktuellen Lebenslage und auch gut mit K. ist es hier auf jeden Fall, wir können gut miteinander, zicken uns selten an.

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