Barcelona 2023 – DREI
27 Aug 2023, Posted by Barcelona | 2023 inDie Tage mit Olaf
Es ist nicht selbstverständlich, dass man mehrere Tage am Stück mit einem Menschen, den man sonst eher stundenweise genießt, gut zubringen kann. Wie das geht, wussten Olaf und ich vorher nicht – mein Fazit: Es ging sehr gut. Schon ganz gut, dass wir Einzelzimmer hatten, damit wir uns nicht mit Geschnarche oder anderen Geräuschen gegenseitig auf die Nerven fallen. Ansonsten haben wir die Zeit komplett zusammen verbracht und es hat viel Freude bereitet.
Wir fuhren auf den Tibidabo, der höchste Berg in Stadtnähe, auf dem ein kleiner Vergnügungspark für Familien und eine wunderschöne Kirche ist und der einen tollen Blick auf die Stadt und auf die Wälder auf der anderen Seite bietet. Auch wenn es etwas bewölkt und somit der Blick leicht getrübt war, lohnte sich der Weg.
Olaf wollte die Sagrada Familia von Innen besichtigen. Das wenige Tage vorher zu planen, ist ein fast unmögliches Unterfangen: Tickets gibt es nur noch online, es waren noch wenige Zeitfenster möglich, doch bei der Buchung erschien beim Klicken auf „Buy“ immer ein Fenster auf „Try later“. Vermutlich ist die offizielle Homepgae für den Ticketverkauf tagsüber kolossal überlastet. Wir erfuhren, dass es möglich ist, Sonntags um 9 Uhr gratis in die Sagrada zu gelangen, um der Messe zu folgen. Dafür muss man ab 7 Uhr vor der Kirche in der Schlange warten, ab 8:30 Uhr ist Einlass, die Türen werden geschlossen, wenn die Plätze voll sind. Es war eine theoretische Überlegung, wir ließen es dann, da wir am Samstag Abend nach Barbesuchen erst um 3 Uhr im Hotel waren. So liefen wir tagsüber zur Sagrada und besichtigten sie von Außen.
Ich recherchierte, dass die aktuelle Bauplanung vorsieht, die Sagrada Familia 2026 – in diesem Jahr jährt sich der 100. Todestag von Gaudi – fertig zu stellen. 2015 realisierte eine für Bauangelegenheiten zuständige linke Politikerin, dass es bis dahin nie eine offizielle Baugenehmigung für die Sagrada gab. Es musste eine Baugenehmigung gestellt werden, die um 50 Millionen Euro kostete. Es existiert inzwischen eine offizielle Baugenehmigung, die bis 2026 gilt. Die Sagrada wird nicht mit Steuermitteln erstellt, sondern nur durch Spenden und Ticketverkäufe. Sie soll das höchste Gebäude von Barcelona und die höchste Kirche der Welt werden. Zwei Türme werden dafür noch bis in den Himmel wachsen. Ferner sieht die Originalplanung von Gaudi vor, dass die Sagrada nicht höher als der Hausberg Montjuïc werden soll.
Olaf und ich besuchten auch das Fest in Gràcia. Einmal tagsüber und einmal abends. Abends ist dort auf mehreren Bühnen Livemusik. Sehr spannend war spanische Folkmusik, eine interessante Mischung. Als wir ankamen, erlebten wir auf einem Platz noch den traditionellen Bau von Türmen aus Menschen.
Auf dem letzten Bild ist der Zugang zu einem kleinen Innenhof mit Livemusik zu sehen. Dies war vermutlich keine offizielle Bühne zum Fest, sondern eine private: der Zugang war durch ein Tor gesperrt. Es wirkte so, als dürften nur Einheimische dort hin. Gràcia ist der alternative, linke Stadtteil. An vielen Stellen sind Schriftzüge an Häuserwänden zu sehen „no touristas“. Es gibt in einer Bevölkerungsgruppe eine ablehnende Haltung zu Massentourismus – die Stadt empfange mehr Menschen, als sie vertrage. Es ist trotzdem überhaupt kein Problem, sich in diesem Stadtteil zu bewegen – gewaltbereite autonome Menschen sind nicht zu erwarten, auch als Tourist wird man in Gràcia gut und freundlich behandelt. Es wirkt absurd, wenn Stadtmitarbeiter an privaten Fassaden mit kleinen Malerrollen jene Schriftzüge in teilweise nicht passender Farbe tagsüber übermalen. Wenige Stunden später sind neue Schriftzüge an anderer Stelle.
Unsere Abende eröffneten wir immer mit Gebeten. Olaf fragte mich immer „Gehen wir später wieder beten?“ und meinte damit, dass er mit mir durch die LGTB-Bars ziehen möchte. Beten deshalb, weil es immer noch die Bar „La Chapelle“ gibt: Eine kleine, oft sehr gut besuchte kleine Bar, an deren langer Wand diverse Devotionalien hängen. Olaf, im Gebet vertieft… na ok, er glotzt auf sein Smartphone.
An einem Abend diskutierten wir lautstark über Homothemen, Genderkram und nonbinäre Fragen. Das war so laut, dass ein in der Nähe stehendes Pärchen etwas besorgt zu uns blickte, vielleicht erwartete, dass wir gleich aufeinander losgehen. Gut, dass wir so laut diskutierten, denn dadurch kamen wir ins Gespräch und lernten ein superfreundliches deutsch-katalanisches Paar kennen: Den 53j. Alex und den 43j. Oriol, seit 18 Jahren ein Paar, nicht selbstverständlich, wenn man die durchschnittlichen Halbwertzeiten von Partnerschaften in unserer Zeit, vor allem in der Homowelt bedenkt. Oriol lebt in Barcelona, lebte früher in Brasilien, Portugal und der Schweiz. Alex lebt am Bodensee, hat zudem eine Wohnung in Zürich und arbeitet dort am Airport. Er fliegt oft zu seinem Mann nach Barcelona. Alex stimmte mich schon fast erleichtert, denn all zu selten erlebe ich Männer in seinem und meinem Alter attraktiv, viele sind stinklangweilig, dadurch auch sexuell unattraktiv. Alex nicht, er hat eine gute, offene, attraktive Ausstrahlung, wer mich kennt ahnt, dass es mir nicht sonderlich leicht fällt Männer diesen Alters attraktiv zu finden. Der Katalane Oriol bestätigte meine eigenen Vorurteile über deutsche Menschen – die, die sich ständig darum kümmern und sich einmischen, was andere machen, statt sich um sich selbst zu kümmern und die kleinkariert sind. Jede Kultur hat ihre Eigenarten, gerade auch die Katalanen mit ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit vom spanischen Staat, zugleich hatte er aus meinem eigenen Empfinden Recht. Wie sehr rauben mir deutsche Blockwärter im Alltag meinen letzten Nerv. Später nahmen sie uns noch in die Bar „El Cangrejo“ mit. Auf dem Weg dorthin unterhielt ich mich kurz mit Oriol über die für mich traurig anmutende portugiesische Fado-Musik. Was machte er? Er sang während des Fußmarsches mitten in der Nacht auf der Straße einen Fado – herrlich! In der Bar gibt es auch einen Dancefloor, es war ein wunderbarer Abend mit sehr guter, offener und toleranter Stimmung – so tolerant, dass Olaf einem hübschen Mann, der dicht gedrängt an ihm vorbeilief und ihn freundlich angrinste, erst mal im Vorbeigehen einen Kuss auf seinen langen Hals gab. Kein Problem, der Kerl lachte und ich amüsierte mich prächtig. Es sind oft die Zufälle, die das Leben sehr bereichern: Wir haben ein 2 sehr liebe und interessante Menschen kennenlernen können. Olaf hat sich auch am „Tuntenstrand“, der wirklich gut gefüllt war, wohl gefühlt.
Unser Hotel gehört zu einer kleinen Hotelkette, die vier Hotels in Barcelona betreibt. Als Gast vom HCC Taber war es möglich, im Partnerhotel um die Ecke die Dachterrasse mit Bar und kleinem Pool zu besuchen. An 2 Nachmittagen chillten wir dort und erholten uns von den langen Fussmärschen. Ein toller Blick auf die Umgebung war auch dabei: Beim Blick auf viele Gebäude in der Umgebung fielen 2 Dinge sofort auf: Es gibt zahlreiche nicht genutzte Dachterrassen. Für mich kaum nachvollziehbar: Von diesen Dachterrassen hat man einen tollen Ausblick, die Luft ist etwas klarer und es ist verhältnismäßig ruhig. Weiterhin fiel auf, dass Hausbesitzer kaum Solarenergie nutzen, es waren nur sehr wenige Solarpanels sichtbar.
Im Pool diskutierten wir darüber, wie politisch korrekt „Gypsies misshandeln ihre Tiere“ in Worte zu bringen ist. Olaf erzählte mir davon, dass demnächst ein deutsches TV-Team 4 Tage lang auf der Quinta Panoramica Filmaufnahmen machen wird: Es soll in einen Bericht über Deutsche, die im Ausland leben, erscheinen. Es ist geplant, dass sie Kathi bei ihren Tätigkeiten, z.B. Schnorchelausflüge für Touristen, begleiten und Olaf bei den Algarvehorsealarm-Erledigungen. Was soll Olaf dann erzählen, wie die Pferde zu Algarvehorsealarm kommen? Ich schlug vor, dass es sich um Tiere handelt, die von Menschen abgegeben werden, die ein anderes Verständnis von artgerechter Haltung haben. Und die Folge jener Haltung ist, dass die Pferde und Mulis bei Ankunft bei Algarvehorsealarm erhebliche körperliche Schäden und psychische Traumatisierungen aufweisen. So ist das – wir leben im Zeitalter der political correctness bzw. in einer Zeit, in der sehr schnell auf mögliche Diskriminierungen reagiert wird. Verständlich, zugleich anstrengend. Für mich völlig ok, wenn man es sehr negativ bewertet, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen Tiere misshandeln, jajajajaja, nicht alle Gypsies tun das.
Ich esse ja seit Anfang 2023 so gut wie kein Fleisch mehr. Olaf löst derzeit so eine Art „Wettschulden“ ein: Kathi und er riefen zu seinem letzten Geburtstag zu Spenden auf: Für 24 Euro Spende für Pferdefutter wird Olaf einen Tag vegetarisch leben. Es sind mehr als 2400 Euro eingegangen. Und Olaf ist stark geblieben. Auch wenn er durch einen Tag Fleischessen in Barcelona nicht in die Hölle kommt, sondern nur einen vegetarischen Tag dran hängen muss, hat er kein Fleisch gegessen. Er genoss in dem ein oder anderen Laden nur den Geruch.
Apropos Tiere und artgerechtes Leben: Es gibt sehr viele hundeliebende Menschen in Barcelona. Ins Straßenbild gehören unzählige Hundehalter:innen, die ihre Hunde ausführen. Es gibt ab und zu kleine Hundeauslaufflächen. Nirgends ist Hundekot, anscheinend gehört zum Selbstverständnis, den Kot sofort aufzusammeln. Klar gehört zu meinem Verständnis von Hundehaltung, dass Hunde die Möglichkeit haben, naturnah herumlaufen zu können. Doch dieser Mangel, den diese Stadt hat, wird für mich durch die offenbare Liebe, die die Halter ihren Tieren entgegenbringen, ein wenig ausgeglichen.
Bei diesem Barcelona-Aufenthalt trafen wir Michel. Ich sah ihn 2014 noch mit Meik zusammen zuletzt, habe ihn 2008 kennengelernt. Wir schauten zusammen das Frauen-WM-Finale Spanien gegen England. Es war wunderbar, ihn mal wieder zu sehen und zu hören, wie es ihm geht und was er macht. Ein superlieber Kerl.
Die Tage mit Olaf vergingen wie im Flug. Wir sind sehr viel herumgelaufen, haben zusammen die Zeit genossen und unsere Freundschaft vertieft. Meinen Wunsch, mit beruflicher Selbständigkeit seit 2018 Auszeiten zu vermehren und Arbeitszeiten zu reduzieren, realisiere ich zunehmend. Es sieht danach aus, dass ich in diesem Jahr 10 Wochen Nichtarbeit habe. Dafür arbeite ich in der sonstigen Zeit mehr. Nach Rückkehr aus Barcelona arbeite ich eine Woche, um dann zum dritten Mal 2023 auf die Quinta Panoramica zu fliegen. Fühlt sich irgendwie schräg und zugleich wunderbar an. Heute ist Sonntag, ich bin schon wieder in Hannover, am kommenden Mittwoch geht es in die 2. Heimat.
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