Gran Canaria 2
16 Feb. 2015, Posted by Gran Canaria | 2015 in
Skurril trifft es am Besten. Die Insel ist skurril.
Während Andere über Hitze klagen, komme ich erst in Fahrt. Ich muss mir die Kälte zuhause, die in Deutschland in der aktuellen Jahreszeit noch schlimmer sein könnte, kurz vorstellen, um die Wärme hier zu genießen. Ja, doch – ich genieße die Wärme. Morgens auf dem Balkon oder abends draußen ist es schon so kühl, dass eine lange Hose und ein Jäckchen angebracht sind. Doch tagsüber – spätestens beim ausgiebigen Frühstück – streichelt die Sonne den Körper und die Seele, dann ist es angenehm warm, keinesfalls heiß. Es weht immer wenig oder mehr, windstill gibt es nicht. Zunächst wunderte ich mich über die Beschreibung im Reiseführer, dass Strandspaziergänge hier ausgiebig wahrgenommen werden und weniger Sonnen- oder Meerbaden. Am zweiten Tag verstand ich es: Wir liefen durch die Dünen von Maspalomas zum Meer, der Weg mutete zunächst wie ein Marsch durch eine Wüste an, nach gut 20 Minuten einsames Wandern durch warmen Sand von der Sonne und leichtem Wind begleitet erschien das Meer am Horizont. Dort angelangt trafen wir auf zahlreichende Spaziergänger. Es war sehr windig, das Meer leicht rau und kühl, rote Fahnen signalisierten Badeverbot. Wir liefen mit Richtung Playa del Ingles, links die Dünen, rechts das Meer und vor und hinter uns Wanderer. Wir gelangten an einen „Kiosk“, der Eis und Getränke anbot, aber keine Toiletten. Uns egal, aber nicht einer reiferen, zunehmend aufgeregteren Dame, nein Frau – damenhaft war sie nun wirklich nicht, die verzweifelt nach der Toilette fragte und sich damit zufrieden geben musste, dass sie entweder einen langen Marsch auf sich nimmt, um sich zu erleichtern, oder aber ins Meer oder die Dünen uriniert – nein! Dazu war sie dann doch zu damenhaft – leid tat sie uns nicht wirklich. Wir grinsten wortlos gemeinsam mit der freundlichen Frau am Kiosk, die uns Eis verkaufte, über die Begebenheit.
Wir liefen weiter und suchten uns einen etwas windgeschützteren Platz in den Dünen. Flugsand – auch in Reiseführern erwähnt – bedeckte wie Puderzucker auf einem Kuchen nach einer Stunde unsere Decke, unsere Körper, er kroch in die Ohren, blieb an den Augenbrauen hängen und störte zunächst nicht. Wir unterhielten uns bei dieser Gelegenheit darüber, wie wir es empfinden, wenn Körperflüssigkeiten beim Sex ins Spiel kommen – stört ja auch nicht wirklich und gehört dazu – oje im Moment des Schreibens dieser Zeilen – ich sitze mit Netbook am Pool – läuft der definitiv attraktivste Mann an uns vorbei – Körperflüssigkeiten, Kopfkino. Zurück zum Gedanken: Der Flugsand klebte überall am Körper, kroch in die Ohren und flog in den Mund, die ganze Decke eingesudelt. Wir beschlossen, dass uns der Sand nervte und verließen den Ort. Eine Stunde später duschten wir den Sand ab – auch die vielleicht gemeinsame Dusche nach dem Sex macht Spaß.
Skurril… warum skurril? Zunächst ein paar Stichwörter: Ein älterer Herr brüllt mir hinterher, dieser Herr durfte das definitiv. Eine interessante Zusammenstellung von verschiedenen Touristengruppen, Homos, Rentner, Pauschalurlauber – alle mit- und nebeneinander. Hotelbauten und Apartmentanlagen der letzten vierzig Jahre, die zumindest frisch angemalt und mit interessanten Formen daherkommen. Shoppingcenter, die tagsüber Touriramsch und -mode sowie Cafes bieten und sich Abends in eine Kneipen- und Discothekenlandschaft verwandeln.
Zu den Details: Am ersten Abend schlief Susanne ein, war unweckbar, aber atmete noch. Gut, so machte ich mich frisch, so gut es noch ging und verließ das Hotel. Ich wollte noch ein Bier trinken und steuerte das centro comercial yumbo an, eines der Shoppingcenter, das die Menschen jetzt betrunken machen und zum tanzen bringen möchte. Ich lief etwas verpeilt herum, verwinkelt über drei Etagen verteilten sich die Homo- und Hetenetablissements, sehr verschiedenartige Gäste liefen herum oder saßen in Kneipen und begafften andere Gäste, die vorbei liefen. Zunächst ignorierte ich das Brüllen eines Mannes, dachte mir jedoch, dass ich das Brüllen kenne und drehte mich um. Heinz und Wilhelm aus Hannover, ehemalige Volleyballer meines Sportvereins, saßen weißweintrinkend in einer Bar, Wilhelm schrie mir hinterhe. Innerhalb der nächsten 24 Stunden sollte ich 3 weitere Menschen aus Hannover sehen, die ich vom Grüßen kenne. So klein ist die (schwule) Welt. Mit der schwulen Welt hier mache ich weiter und komme damit zu dem Gemisch an Gästen: die Homos hier sind vorwiegend 40+ und kommen mindestens jährlich her – die wenigen Homos, die 40- sind, haben Muskeln, tragen ES-Bademode und haben rasierte Brüste. Achja – sie schlafen in unserem Hotel, das Axel wirbt mit Muskeln und rasierten Männern. Inzwischen durchmischte sich das Hotel, Susanne ist nicht mehr die einzige Frau, einige homofriendly oder lesbische Paare sind angekommen. Nachdem wir heute keine Lust auf Sand hatten, verbrachten wir den halben Tag am Pool – die Hotelanlage ist definitiv schön, gepflegt und mit Liebe zum Detail. Beschallt von Loungemusik genossen wir die Wärme und den Kinofilm, den einige der Gäste präsentierten. So z.B. ein junger, noch nicht umgebauter Latino-Ladyboy, der bei Germanys Top Model weit kommen würde. Er machte sein Turn- und Schwimmübungen vor allen Gästen. Er war nur kurz weg und kam in anderer Designer-Kleidung kettchenbehängt wieder. Es laufen hier unbeeindruckt von den Homos viele Rentner herum, Paare, die seit 50 Jahren verheiratet scheinen, händchenhaltend flanieren und das Herz anrühren oder Gruppen von älteren Menschen, die einfach nur die Wärme, die Zeit und den Alleinunterhalter im Restaurant genießen. Wilhelm erzählte, dass es hier viele Gäste gibt, die im Oktober anreisen und im Frühjahr wieder die Insel verlassen, wenn es zuhause freundlicheres Wetter gibt. Schöne Vorstellung – nur für mich der falsche Ort dafür. Familien mit Kindern laufen hier kaum herum. Viele Deutsch, Briten, Italiener und Spanier und keine Asiaten – die reisen ja auch nach Deutschland.
Zumindest in Maspalomas und Playa del Ingles gibt es kaum etwas, das den Eindruck von kanarischer Kultur vermittelt. Warum auch. Bis in die 60er Jahre gab es hier unten Nichts außer die Dünen und Ödland, das nicht bewirtschaftet werden konnte, bis jemand auf die Idee kam, Hotels zu bauen. Jahrzehnte breiteten sich immer mehr Hotels aus, inzwischen verhindern Initiativen den Zuwachs weiterer Hotelbetten auch nach Baugenehmigung. Zudem steht inzwischen ein größerer Teil der Insel unter Naturschutz. Anbau von Zuckerrohr, Obst und Gemüse hat inzwischen negativen Einfluss auf das Grundwasser genommen, kanarischer Rum wird aus importierten Zucker hergestellt und kanarische Tomaten sind nicht mehr konkurrenzfähig. Das, was sich viele Urlauber hier wünschen – besseres Wetter und am Pool, auf dem Balkon oder in unmodernen Shoppingcentern Nichtstun oder aber am Strand laufen – war meine Motivation für diesen Urlaub. Schrecklich jedoch die Vorstellung, dies immer so zu tun – nicht wenige Menschen fahren immer wieder hier her oder an ähnliche Orte. Neugier auf das Typische des Landes, das ich bereise, Menschen sehen, die im Urlaubsland leben und arbeiten, bestenfalls mit ihnen in Kontakt kommen sind neben Wärme und Wasser wichtig für meine Wahl des Urlaubsziels. In der weiteren Zeit hier ist etwas davon noch möglich: Hinter den schmalen Tourizonen am Wasser beginnt hier die kaum touristische Zone (Berge, Schluchten, Dörfer, Höhlendörfer, typisch-kanarische Architektur usw.). Mal schauen…