Portugal 2020 | Drei
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Portugal 2020 | Drei

17 Feb 2020, Posted by Martin in Portugal | 2020

Es ist Sonntag Abend. Diese Auszeit ist recht kurz, die Zeit fließt dahin. Spätestens am Abend, wenn es dunkel ist, merke ich , was die Atmosphäre hier auch ausmacht: Ruhe und kaum etwas zu sehen. Abends ist kaum etwas zu hören, allenfalls Geräusche der Natur sind zu hören, Wind, Vögel, Insekten oder selten mal ein Motorrad oder PKW, das in weiter Entfernung vorbei fährt. Seltener als im Sommer hört man in der Entfernung einen Hund bellen, der ein Grundstück bewacht. Auch seltener als im Sommer stürmen abends Lotte, Charly, Freddy, Luna und Gismo bellend los, weil sie irgend ein Geräusch wahrnahmen, das sie alarmierte. Ansonsten ist Ruhe, Stille, wenige Geräusche der Zivilisation. Es ist dunkel, wenig Straßenbeleuchtung entfernt oder Licht, das von einzelnen Häusern zu sehen ist. Der Blick Richtung Himmel bietet oft unglaublich viele Sterne. Ich vermisse kein Netflix, keine Musik und keine sonstigen Medien am Abend – mein Laptop und mein Smartphone verbinden mich zur Welt, aber weniger als sonst üblich. Ich war ja unter anderem spontan her geflogen, um mit Kathi über die genaue Zeit meiner längeren Auszeit im Sommer zu sprechen. Wir hatten uns recht schnell verständigt, dass Anfang September eine günstige Zeit wäre. Die genaue Zeit werden wir noch festlegen.

Tag 4

Miri reiste ab, sie verbringt viel Zeit hier, lebt in ihrem Camper, der auf dem Gelände steht. Sie fliegt für kurze Zeit nach Hamburg, muss dort einiges koordinieren, um dann wieder vermutlich für längere Zeit herzukommen. Mir sind inzwischen neben Olaf, Kathi und den Tieren einige Menschen, so Miri, recht vertraut – ich fühle mich hier wie in einer großen Familie. Hier ist ein anderes Leben, viel weniger Dinge sind bedeutsam: Morgens werde ich vom Licht geweckt, die frühe Sonne und milde Temperaturen laden ein, den ersten Cafe vor dem Appartement zu mir zu nehmen, die Zeit fließt mit wenig tun dahin. Ab und zu fahren wir an einen Strand, haben Surfbretter, Neoprenanzüge dabei und gehen ins Wasser. Blue Velvet fährt mich ab und zu durch die Gegend, an irgendeinen Strand, an dem ich spazieren gehe. Nach Rückkehr, Dusche und Nichtstun treffen wir uns oft auf der Terrasse vor Olafs Wohnung, essen zusammen und gelegentlich endet der Abend mit einer Rommée-Runde, Bier und Schnaps. Ich frage mich in einer solchen Auszeit immer wieder, warum außerhalb der Auszeit viel mehr Dinge, Erledigungen und anderes bedeutsam sind. Das Leben in der Auszeit hier erscheint so angenehm reduziert. Ich komme zur Ruhe.

Am Samstag waren Kathi, Julchen und ich – dieses Mal ohne Miri – wieder am Strand, ich zog zum zweiten Mal meinen eigenen Neo an und genoss die Zeit im Wasser. Mir reicht es dann schon, einfach auf dem Board zu sitzen und das Drumherum aufzusaugen, den Blick auf den Horizont zu richten und wenig zu denken. Es ist mein Medium, Sonne, Wasser, Sand, Felsen im Hintergrund, der weite Blick auf den Horizont. Nach der Strandtour fuhr ich nach Lagos, suchte eine kleine Ausstellung auf und entdeckte auf dem Dach der Ausstellung interessante Objekte…

Tag 5

Jetzt scheint die Zeit schneller zu fließen. Ich verbrachte die Zeit bis kurz nach Mittag auf der Quinta, ließ mich von der Sonne streicheln, lief auf dem Gelände umher oder machte nichts.

Ich fuhr am Nachmittag nach Portimão. Ich suchte noch einmal Studio Bongard auf (https://www.studiobongard.com/ ) – es ist lange her, dass ich Kunst gekauft habe. Es gibt in dieser Galerie wunderschöne Objekte aus Ton, es als Kunsthandwerk zu bezeichnen, würde der Einzigartigkeit der Objekte nicht ausreichend Rechnung tragen. Ich hatte eine Skulptur im Visier, die ich schon beim letzten Aufenthalt sah…

Sie ist ca. 40 cm hoch, wiegt 14 kg. Es sind unzählige kleine Details, Farben und Formen verarbeitet, das Bild gibt es kaum her. Es ist gut möglich, dass ich morgen Vormittag meine Bank anrufe und mich erkundige, ob ich aus Portugal online-banking auf ein portugiesisches Konto machen kann. Dies ging bei einer anderen Bank nicht, aus Sicherheitsgründen war diese Option gesperrt. Am Dienstag Vormittag ist der Erschaffer der Skulptur in der Galerie, er spricht ein wenig Deutsch, heute telefonierte ich bereits mit ihm, erfuhr den Preis und die Modalitäten eines möglichen Transportes.

Blue Velvet fuhr mich danach noch etwas herum, bevor ich vor Dunkelheit auf der Quinta landete.

2019 war über den gesamten Verlauf betrachtet ein unglaublich emotionales, heftiges und anstrengendes Jahr. Einiges dazu findet sich im Kanada-Blog, einiges dazu im letzten Portugal-Blog. Mir kam das Jahr immer wieder wie Selbsterfahrung vor, ich entdeckte tiefste Abgründe meiner Seele, die „Gabe“ mich in einer Beziehung extrem zu verstricken, geriet an die Grenze der Arbeitsfähigkeit, bis dann Mitte Dezember in einem recht schnellen Tempo Ruhe einzog.

Aktuell habe ich erneut das Gefühl, neue Erfahrungen zu machen, diesmal fühlt es sich sehr positiv an. Über die Entfernung der vielen Kilometer begleitet mich A. durch den Urlaub. Wir schreiben uns, was wir gerade machen, schicken uns Bilder, er ist irgendwie ein Stückchen bei mir. Es ist etwas verwirrend, wir kennen uns zwar schon lange vom Sehen, doch getroffen und gesprochen haben wir erst zwei Mal miteinander, bevor ich in die Auszeit flog. Diese Art des Kennenlernens kannte ich so bisher nicht. Anders, langsamer, vorsichtiger und doch schnell. Auf die weite Entfernung werden wir uns etwas vertraut, ich werde immer neugieriger…

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