Portugal 2022 – Eins
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Portugal 2022 – Eins

16 Mai 2022, Posted by Martin in Portugal | 2022

Angekommen, ich bin vor Kurzem zuhause angekommen, bin zur Familie zurückgekehrt.  Meine 11. Auszeit auf der Quinta Panoramica | Barão de São João | Algarve | Portugal hat angefangen.  Ich freue mich erneut unendlich darüber, hier sein zu dürfen an diesem so sehr geliebten Ort mit all dem, was er für mich bieten kann. Immer wieder geben mir die Zeiten hier viel Frieden, Ruhe, Entspannung und immer wieder eine wundervolle Einbindung in die Familie hier. Meine Verwandtschaftsfamilie ist mehr oder weniger verschwunden. Meinen Bruder in Berlin sehe ich die letzten Jahre recht häufig, was mich auch immer sehr erfüllt. Meinen Bruder in Bayern habe ich länger nicht gesehen, das fühlt sich nicht gut und richtig an. Unsere Eltern leben nicht mehr. Andere noch lebende Verwandte sind gefühlt weit weg. Ich hätte kein Problem damit, wenn Olaf, der hier auf der Quinta lebt, mich adoptiert. Klingt vielleicht etwas albern. Kann man einen 53j. Mann adoptieren? Irgendwie hat er es schon längst getan. Und Kathi, dann ist Kathi wohl sowas wie meine Schwester.

Ich beschreibe im ersten Post des Blogs der 11. Auszeit auf der Quinta meine Ausgangslage vor dem Abflug, einige Gedanken über bisherige Reisen in meinem Leben und den Ausblick auf das Kommende. Ich schließe den Post mit wenigen Bildern ab.

Ausgangslage

Vorgestern war ich noch zuhause, ein anderes Zuhause weit weg, mein eigentliches Zuhause. Wenn ich das so formuliere regt sich ein Widerstand in mir. Wenn es bestimmte Aspekte meiner Realität nicht gäbe, wäre ich fast nur in Portugal. Ich verdiene Geld in Deutschland. Ich verdiene Geld mit einer Arbeit, die nicht ohne weiteres in ein anderssprachiges Land transportierbar ist. Außerdem verdiene ich mit meiner Arbeit in Deutschland so viel Geld, dass ich vermutlich nie eine besser bezahlte Alternative fände. Doch wie wichtig ist das? Ich habe keine großen materiellen Träume wie eine Eigentumswohnung, einen tollen Wagen oder andere Luxusgüter. Ich habe eigentlich immer mehr den Wunsch, weniger zu besitzen. Das was ich mir materiell wünsche ist, dass ich mal aufhören kann zu arbeiten, meine Miete, mein Essen und meine Reisen nach Portugal bezahlen zu können.

Meine Ausgangslage in deutschen Zuhause war und ist ein hohes Maß an Erschöpfung, Müdigkeit und Kraftlosigkeit, was ich in den letzten Wochen immer wieder erlebe. Ich war erst vor wenigen Monaten in Portugal, konnte Kräfte tanken und nun bin ich wieder platt. Es kommen möglicherweise verschiedene Dinge zusammen: Ich werde älter. Zuerst die Pandemie und nun der wahnsinnige Krieg in Europa rauben mir viel mehr Kraft, als ich lange wahr haben wollte. Und ich habe den Eindruck, dass viele Menschen, denen man alltäglich begegnet, immer bekloppter werden. Mich nerven viele Menschen in meiner deutschen Heimat so sehr, dass ich abends froh bin meine Ruhe zu haben, um eine mittelmäßige amerikanische Crimeserie zu schauen. Leicht soziophobe Tendenzen verstärken sich. Wenn ich mich auf mich schaue und eine PC-Metapher verwende: Im Arbeitsalltag verschwinden die Geschichten meiner Patient:innen schnell aus dem Arbeitsspeicher, werden auf die Festplatte verschoben. Sobald ich die Praxis verlasse, sucht sich mein Arbeitsspeicher einen anderen Inhalt. Mein Akku ist auffällig. Er ist in den letzten Monaten deutlich schneller entladen und zudem lädt er nicht mehr vollständig. So ist das mit Akkus von Laptops, die älter werden. Ich habe mich gefragt, ob der Akku, der meine Arbeitsprozesse mit Energie versorgt, altersbedingt schlechter funktioniert. Schon möglich. Doch ich vermute, es gibt weitere Gründe meines Akkuproblems. Neben beruflichen Arbeitsprozessen, benötige ich Energie für private Dinge und Angelegenheiten des öffentlichen Lebens. Auch wenn meine Einschränkungen infolge der Pandemie eher gering waren, raubte mir die Pandemie mehr Energie als zunächst vermutet. Es ist die emotionalen und gedankliche Auseinandersetzung mit dem Umgang unserer Gesellschaft mit der Pandemie, was mir oft Kraft geraubt hat. Dass die Klimakrise vorher schon Energie kostete, ist anzunehmen. Der seit März laufende Krieg in Europa ist der größte aller Energiefresser. Mit Blick auf die Ukraine bin ich erschüttert, traurig, fassungslos, ohnmächtig. Mit Blick auf Putin bin ich voller Wut und Ekel über die in keinster Weise zu rechtfertigende Aggression, die von ihm und seinem Militär ausgeht. Er verschiebt seit Jahrzehnten anerkannte Grenzen, er verdreht Argumente, er ist selbst der gefährlichste Faschist, den Europa gerade direkt erlebt. Und ich habe Angst. Angst vor der atomaren Eskalation. Auch der Blick auf die internationalen Folgen des Krieges beschäftigt mich. Für mich ist ganz klar, dass das was wir in Europa seit dem Weltkrieg als zunehmendem Wohlstand erlebt haben, so nicht mehr weitergehen kann. Und ich definiere gerade Wohlstand in Anbetracht des Krieges für mich neu: Wohlstand ist mehr als Materielles. Wohlstand ist, seine Meinung frei äußern zu können, in Freiheit leben zu können und sein Leben nach den eigenen Vorstellungen leben zu können, solange man anderen nicht schadet. Dann noch mein Eindruck, dass viele Menschen im Alltag immer bekloppter werden. Ich weiß nicht ob es zugenommen hat, ich habe kleine Strichliste geführt: Es fängt bei Kleinigkeiten an (mitten im Weg stehende E-Roller, offene Feuer-Grillstellen in der Natur und in Parks, Müll in Parks usw.), es äußert sich in unfreundlichem, oft rücksichtlosem Verhalten im Alltag und es eskaliert in aktuell erhöhten Raten von Messerattacken in Hannover. Da streiten mehrere Menschen, nichts Besonderes, doch einer zieht dann ein Messer und sticht zu. So starb vor Kurzem ein 22j. junger Mann, keine 2 km entfernt von meiner Wohnung. Es resultierte bereits wenige Monate nach meiner letzten Auszeit der Wunsch, bald in einer mir vertrauten Umgebung mit angenehmen Temperaturen und geliebten Tieren und Menschen auszuruhen, Kraft zu tanken und von all dem Wahnsinn weniger mitzubekommen.

Bisherige Reisen

Wenn Menschen mir einen schönen Urlaub oder eine gute Reise wünschen, klingt das für mich nicht passend, irgendetwas stimmt da nicht. Ja – es ist ein Urlaub, und ja – es ist eine Reise. Doch spätestens ab 2008 habe ich keine Urlaube mehr so gemacht, wie ich es vorher tat, ich nahm Auszeiten.

Ab 2003 habe ich erst angefangen, Reisen in weitere Entfernungen zu machen. Bis dahin war ich selten mal im näheren europäischen Ausland. Ein guter Freund hat mir Auslandsreisen vermittelt. Mit ihm fanden die ersten Reisen statt: Costa Rica, Venezuela und Malaysia waren Ziele. Wir schauten auf den Äquator und suchten uns jeweils Ziele, die nicht sehr weit weg vom Äquator sind. Ohne vorherige Reiseerfahrung war mir klar, dass ich Wärme, Hitze, Sonne und Wasser wollte. Nach meinen ersten Fernreisen hatte ich die Fantasie, dass ich immer wieder verschiedene Länder bereise, es gibt so viele wunderbare Orte auf der Welt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich immer wieder an einen Ort fahre.

2008 bin ich dann das erste Mal in Barcelona gelandet. Das war kein geplanter Urlaubsort, ich fuhr mit mehreren Volleyballer dort hin, um an den Eurogames teilzunehmen. Ich lernte Michael – einen Deutschen, der in Barcelona lebt – kennen, ich verliebte mich in die Stadt und ich fuhr jedes Jahr bis 2014 nach Barcelona, lernte ein wenig Spanisch. Mit Barcelona hat sich meine Fantasie geändert, immer wieder andere Orte zu bereisen. Die letzten Male besuchte ich Barcelona mit Meik. Reisen wie ich es vorher für mich definierte und erlebte endete. Immer wieder an den gleichen Ort, mit Barcelona definierte ich es als Auszeiten. 2010 habe ich das erste Mal einen Blog zu einer Reise veröffentlicht. Die ersten Blogs liefen noch über blogspot. Mit Auszeiten statt Reisen war tiempo-muerto geboren. 2014 gelangten Meik und ich mehr oder weniger zufällig auf die Quinta in Portugal. Nach mehreren Barcelona-Aufenthalten und einer Spanienrundreise wollten wir nach Portugal. Wir besuchten Lissabon, Porto und zum Schluss die Algarve. Über AirBNB fanden wir die Quinta – es war ein Volltreffer. Ein Jahr später war die auf der Quinta lebende Lotte trächtig, recht schnell entschieden Meik und ich, einen Welpen von ihr zu nehmen. Am 29.10.2015 wurden Sirius und seine beiden Geschwister geboren, Anfang 2016 holten wir ihn nach Deutschland. 2017 fuhren wir erneut mit Sirius zur Quinta, Ende 2017 trennten Meik und ich uns. Es gelang uns sehr schnell, ein gutes Miteinander danach zu finden und uns beide um Sirius zu kümmern. Sirius hat zunehmend auch Einfluss auf mein Leben genommen. Oft empfinde ich es so, dass Sirius vor allen Menschen Vorrang hat, er ist das wichtigste Lebewesen in meiner Umgebung. Nach der Trennung von Meik machte ich ein Jahr Quinta-Pause und fuhr ab 2019 mehrfach im Jahr dorthin. So fühlt es sich schräg an, wenn Menschen mir einen schönen Urlaub wünschen. Ich entgegne dann gelegentlich, dass ich keinen Urlaub mache, sondern eine Auszeit in meinem 2. zuhause mache, nach Hause zu meiner Familie fliege.

Ausblick

Meine 11. Auszeit wird anders. In diesem Moment sitze ich mit Meik in einer Tuifly-Maschine auf dem Weg nach Faro. Im Laderaum befindet sich Sirius in einer Transportbox. In den letzten Jahren war es schon nötig, Abwesenheiten in Hannover mit Meik wegen Sirius zu koordinieren. Recht spontan entschieden wir, dass wir dieses Mal zusammen zur Quinta fliegen und Sirius mitnehmen. So ist es nun. Ich freue mich eh schon auf die Quinta und ich freue mich nochmal anders, weil ich mit meinem inzwischen guten Freund Meik und meinem geliebten Sirius dort bin. Ich bin sehr gespannt, in welchen Zustand Sirius ist, wenn wir ihn später beim Sperrgepäck abholen und wie das Aufeinandertreffen mit den Hunden der Quinta wird. Sirius ist inzwischen kastriert. Er kennt Gizmo den recht großen Rüden nicht, er kennt die junge stürmische neue Hundedame Babsi nicht, er kennt die kleine Lea nicht. Wir lassen uns überraschen. Nach einer Woche dort wird Chrissie, eine sehr gute, liebe Freundin aus Berlin dazu kommen. Jetzt ist sie bereits bei einer anderen Familie an der Algarve und genießt die Zeit dort.

Es liegen inzwischen zwischen Ankunft auf der Quinta ein paar Stunden und 6 Stunden Schlafen hinter uns. Der Flug mit Tuifly war ruckeliger als die letzten Jahre mit Ryanair. Der Sperrgepäckschalter an unserem Terminal war defekt, weswegen wir mit der Flugbox von Sirius und Sirius an einen anderen Terminal laufen mussten. Der Flug war ok, die Gepäckausgabe hat sehr lange gedauert. Auch die Mietwagenausgabe bei Hertz dauerte recht lang. Umso schneller fuhren wir zur Quinta. Zunächst ließen wir Sirius im Auto und begrüßten die Menschen und Tiere. Nach 10 Minuten kam Sirius dazu. Gizmo und Sirius brauchten 10 Minuten, mit Babsi dauerte es etwas länger. Nach gut 20 Minuten war alles geklärt. Wir übernachten in dem Appartement, in dem wir 2014 das erste Mal waren. Nach 6 Stunden Schlaf schmiss mich das Tageslicht aus dem Bett. Angekommen. Besser kann es mir gerade nicht gehen.

Bilder der letzten Jahre

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