Portugal 6
14 Sep 2015, Posted by Portugal | 2015 inBarão de São Miguel
Eine Stunde Strand reichte aus, um unseren letzten Spot der Portugalreise zu erreichen: Quinta Panoramica von Olaf und Kati bei Barão de São Miguel (https://www.airbnb.de/rooms/502771) – dieses Jahr lief die Buchung nicht über Airbnb, sondern unkompliziert direkt per Email – kurz vor der Ankunft…
Es stellte sich ein annähernd ähnliches Gefühl von Vertrautheit, was wir noch intensiver bei der Ankunft in Barcelona jedesmal erleben, ein: Kaum den Sandweg zur Quinta hoch überwunden, wurden wir von den Hunden Lotte, Luna und Freddi bellend begrüßt, sie schienen uns sofort wieder zu erkennen und bellten nicht mehr abschreckend, sondern freudig und sprangen uns entgegen. Olaf schien etwas beleidigt, dass wir erst mal die Hunde und nicht ihn begrüßten.
Kurze Zeit nach der Ankunft lief ich zum Sonnenuntergang auf dem Gelände der Quinta herum…
Neben dem Hauptgebäude, das neben der Wohnung von Olaf zwei Apartments beherbergt, steht auf dem Gelände oben auf dem Berg ein alter Camper, der nicht mehr fahrtauglich ist, der aber als Unterkunft dient, sowie die „Wohnung“ von Kati, der Tochter von Olaf: Da Baugenehmigungen in diesem Bezirk strengen Regeln unterworfen sind, greifen viele zu Notlösungen – Kati wohnt in 3 zusammengestellten Containern, die alles Grundlegende bieten (Warmwasser, Strom…). Als ich bei zunehmender Dunkelheit oben war, hockte neben dem Camper ein großer schwarzer Hund. Ich hatte etwas Respekt, war ganz froh, dass mit die 3 Hunde von Olaf gefolgt sind und auf mich aufpassten. Es stellte sich heraus, dass Bobby – wie wir ihn später tauften – einer der vielen Hunde war, die für die läufige Lotte warben. Er folgte uns zum Hauptgebäude und tauchte zunächst Abends immer auf, war jung, unglaublich scheu, trug kein Halsband, hatte wenige Spuren von Hundekämpfen am Körper. Olaf verliebte sich rasch in Bobby, er kommt inzwischen täglich zur Quinta, ist auch zeitweise tagsüber da und weniger scheu. Vermutlich wird er bald zur Familie gehören.
Sofort nach Ankunft hier bei Olaf, fühlten wir uns heimisch. Letztes Jahr war Kati gerade in Deutschland unterwegs, dieses Jahr ist sie da – eine ebenso liebenswerte Person wie Olaf. Außer uns sind noch ein nettes Paar aus den Niederlanden da – was viele der Menschen hier zu verbinden scheint, ist der Wunsch, zu arbeiten um zu leben und nicht zu leben um zu arbeiten: Kati ausgebildet in Mediendesign und Marketing, die nicht mehr gewillt war, deutlich mehr als 40 Stunden in drei Jobs in Deutschland zu arbeiten. Jetzt hat sie gelegentlich Arbeit in Deutschland, hat hier in Portugal einige Tätigkeiten, aber vermutlich mehr Zeit, die Wärme und ihren Sport (Surfen, Kajak, Tauchen usw.) zu genießen. Sie kümmert sich auch liebevoll um die Gäste. Die Niederländerin, die keine 60 Stunden mehr als Graphikdesignerin in den Niederlanden arbeiten wollte und stattdessen weniger als Köchin in einem kleinen Restaurant in Amsterdam arbeitet. Die Geschichte von Olaf zu erzählen, würde den Rahmen sprengen, zumal ihn neben dem Arbeitsthema (hat mal Philosophie studiert, zuletzt für eine Bank, die Windparks finanziert, gearbeitet) andere Ereignisse in seinem Leben hierher führten. Einige Bilder und Details der Quinta Panoramica, im Blog Portugal 2014 sind weitere…
Ich bin mir recht sicher, nicht das letzte Mal hier gewesen zu sein. Doch nächstes, übernächstes oder in einem anderen Jahr werden es neben der Ruheoase hier nicht mehr andere Spots sein: Der nächste Flughafen ist Faro, auch dort gibt es Mietwagen und dann mindestens eine Woche gleich hierher zum Powerchillen. Dieses Jahr ist uns weniger nach Strändeerkunden und Touren ins Landesinnere. Nachdem wir gleichwohl einige Strände aufgesucht haben, ist wie bereits letztes Jahr der Praia do Canavial unser Favorit: Klein, wenige Badende (Touris und Einheimische), von imposanten Felsen eingerahmt, gutes Wasser, zeitweise geile Wellen. 2015 sind die Gezeiten deutlich anders als 2014 – war zu Strandzeiten am Nachmittag 2014 noch Ebbe, so dass dieser Strand deutlich größer war, ist er dieses Jahr aufgrund der Flut kleiner und schlechter über einen Touristrand westlich davon erreichbar. Es geht, heißt aber Klettern über Felsen am Strand und von an Felsen brechenden Wellen erfrischt werden. Wir haben den kleinen Trampelpfad entdeckt, der direkt zum Strand führt und die schätzungsweise 40 Meter hohen Felsen (oben kann man parken) überwindet.
Etwas anderes verdeutlicht sich auch an diesem Strand: Portugal ist schon sehr katholisch. In Ländern, in denen die katholische, eine andere Kirche oder andere freiheitseinschränkende Aspekte weniger existieren, findet man zu Orten (Bars, Cafes, Strände usw.) für gleichgeschlechtlich Liebende im Internet deutlich mehr und zuverlässigere Angaben. In Portugal weniger. Schon in Lissabon oder Porto ist die Szene versteckter. Doch es gibt auch in Portugal Homobevölkerung und -touristen. In den einschlägigen Homokontaktforen im Internet und an versteckten Orten scheinen hier allerdings mehr „Bisexuelle“ mit Frau und Kindern und sonntäglichen Kirchgängen aufzutauchen. Unser Strand ist so ein kleiner versteckter Ort. Neben Heteropaaren, Kindern und Hunden sind hier auch immer eine Handvoll eindeutig schwule Männer…
Eindeutige touristische Teekännchen. Gestern waren zwei andere einheimische, Anfang 20-jährige Jungs am Strand: Kleine Fußballtalente – sie spielten eine Zeitlang im Sand, hatten eine ungemein gute Ballkontrolle – später bewarfen sie sich mit Bällen aus Seegras (das es aufgrund der Strömung bisher nur gestern gab), neckten sich, rauften im Wasser und wirkten wie ein junges schwules Glück.
Unser Stammplatz am Strand: Die letzten Eindrücke vom Strand von oben…
Wir haben nur noch 2 Tage an der Algarve. Olaf ist heute morgen für eine Woche nach Deutschland gereist, Kati kümmert sich um die Gäste und die Tiere. Sehr wahrscheinlich endet der Blog Portugal 2015 mit diesem Beitrag und den folgenden Gedanken, die ich gestern am Strand aufschrieb.
Die Veränderung des Zeiterlebens – die Zeit scheint langsamer zu laufen – ist schwer zu erfassen. Zeiterleben in Form von Wochentag oder Uhrzeit verliert an Präzision. Diese Art der Zeit wird unwichtiger. Mal scheint die Zeit langsamer zu laufen, mal schneller – schon Sonntag (beim Aufschreiben am Strand – schon Montag beim Tippen)? Noch eine Woche bis zur Zeit des Arbeitens? Der Gedanke taucht kurz auf und will schnell wieder verscheucht werden. Kein schöner Gedanke, schnell weg beim Blick auf das Meer, unter dem Sonnenschirm sitzend. Etwas anderes scheint stärker verändert: das Denken – spürbar langsamer, weniger kohärent, bruchstückhafter. Am intensivsten tauchen Inhalte des anderen Lebens (tiempo trabajo) nachts im Traum auf. Selbst der vergessene Geburtstag meine Bruders schwebte kurz vorbei und entfleuchte wieder (Kai – ich hab an Dich gedacht – ist es nicht das, was wir uns wünschen? Menschen denken mit guten Gefühlen aneinander). Auch das gefühlsmäßige Erleben verändert sich: die Amplituden sind flacher. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass diese die tiempo muerto begleitenden Veränderungen später in dieser Auszeit ihren Höhepunkt finden. Ist dies der Tatsache geschuldet, das der Kontrast Auszeit – Normalzeit aktuell in meinem Leben größer ist, größer weil ich seit gut 2 Jahren mehr arbeite als zuvor? Klar ist, dass meine Normalzeit zu sehr von Arbeit dominiert ist, zu sehr von Pflicht oder dem Gefühle der Verpflichtung kontaminiert ist. Es ist nicht so, dass meine Arbeitsinhalte mir keine Freud bereiten. Die Dosis macht das Gift. Da ich die aktuellen Veränderungen des Erlebens in der Auszeit positiv bewerte und ein Stück in den Alltag mitnehmen und retten möchte, heißt das zweierlei: Zum einen werde ich am Ziel, meine Stunden der Arbeit zu verringern, festhalten und es spätestens in 1 – 2 Jahren umgesetzt haben. Zum anderen werde ich die Zeit des Arbeitens vom übermäßigen Gefühl der Verpflichtung befreien. Im Moment des Tippens fällt mir ein, was ich mehrfach z.B. im Unterricht in der Krankenpflegeschule oder in Vorträgen über Burnout erwähnte: Reduziere Deinen Selbstanspruch auf Mittelmaß – das entspannt…
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