PORTUGAL WINTER 2021 | Drei
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PORTUGAL WINTER 2021 | Drei

16 Dez 2021, Posted by Martin in Portugal | 2021

Am Dienstag war ich mit Olaf, Lotte und Lea unterwegs. Ein Stromzaun an einer Pferdekoppel musste abgebaut werden, Heu und eine Trinkwanne eingeladen werden, alles an einen anderen Ort gefahren werden. Dort wartete schon Melli, eine pferdeverrückte Frau, die alles in Empfang nahm und nach Hilfe in den kommenden Tagen fragte. Als Leibeigener von Olaf überlasse ich ihm die Entscheidung, wann ich wo was arbeite. Ergänzend zu den geplanten Projekten wird noch ein weiteres dazu kommen, worauf ich mich freue – eine Pferdekoppel auf dem Gelände der Quinta muss mit einem kleinen Trecker umgepflügt werden.

Während ich dies poste, wird mir nochmal ganz deutlich, dass sich meine Auszeiten hier verändert haben. Ganz oben steht, dass ich mich hier zuhause fühle – in Mitten der Familie L., den Hunden, auch die Katzen schließe ich immer mehr in meine Herz. Und natürlich die beiden Schweine, die später noch Erwähnung finden. Waren es am Anfang noch Erholungsauszeiten mit vielen Strandbesuchen, Sehenswürdigkeiten-in-der-Nähe-erkunden und Nichtstun waren, verhandele ich inzwischen mit Olaf von Tag zu Tag über Freizeit, mal bekomme ich Stunden, mal halbe Tage frei. Ansonsten gibt es allerhand zu tun, wie in vorherigen Auszeit-Blogs beschrieben – es macht sehr viel Freue und ist eine sehr gute Abwechslung zu meiner Arbeit daheim. Auch wenn es Sinn macht, mit Menschen in der Krise Gespräche zu führen und sie im Wandel ihrer Persönlichkeit zu begleiten, immer wieder bin ich – mit Abstand auf meine Arbeit schauend – demotiviert und mich nerven bekloppte Menschen kolossal, vermutlich meine ich damit weniger meine Patient:innen, als mehr die Menschen, die mich in Hannover, meinem Heimatland oder sonst wo auf der Welt umgeben: wohlstandsdegeneriert, unkritisch, gierig und einfach nur dumm bzw. mehr unvernünftig. Oftmals erscheinen mir Menschen kaum dazu in der Lage, sich und die Welt mal mit Abstand zu betrachten und sich weiter zu entwickeln – und ich bin Teil davon. Das alles empfinde ich in meinen Quintaauszeiten nicht so. Klar – ich habe Abstand von der Kultur hier, bin weiterhin episodischer Besucher, der da sein darf, ich spreche weiterhin keine Portugiesisch, muss meine Lebensunterhalt hier nicht bestreiten. Gleichwohl kommen mir die Arbeits- und sonstigen Auszeitaktivitäten sinnhaft vor.

Sich um Tiere zu kümmern ist sinnhaft. Tiere, die von Menschen in schlechtem Zustand zurückgelassen wurden, finden hier ihre Heimat. Da sind wir bei den beiden Schweinen: Dolly das Hausschwein und Shelly Chorizzo das Hängebauchschwein. Dolly ist klug. Sie schafft es immer wieder aus dem Schweineareal auszubrechen, es gibt nur einen Weg, da es kein Flugschwein ist: Sie hebt mit ihrer Schnauze die schweren Metallelemente des Zauns an und kriecht unten drunter. Vielleicht werden Olaf und ich heute noch versuchen, die Metallelemente fester im Boden zu versenken. Gestern saß ich morgens gemütlich mit Kaffee auf der Terrasse, kam im Tag an, als ich Olaf von der anderen Seite des Hauses krähen hörte „Maaaaaaaartin, Dolly ist bei den Eseln“. Ich erblickte die grunzende Dolly auf dem Hügel direkt beim Haus. Täglich bekommen Dolly und Shelly Auslauf, wenn Kathi da ist, am Nachmittag dürfen die beiden auf dem Gelände spazieren gehen. Da Kathi derzeit in Deutschland auf Santa Pauli Glühwein verkauft und Olaf und ich nicht täglich dazu kommen, den Scheinen Auslauf zu gönnen, sorgt zumindest Dolly selbst für Auslauf. Shelly bleibt dann im Schweineareal zurück. Dolly scheint die Esel zu mögen. Denn wenn sie mal ausbricht, ist sie öfter mal bei den Eseln zu finden. Sie lässt sich dann auch zurück in ihr Areal dirigieren, etwas Vorsicht ist geboten, da sie doch inzwischen viel Gewicht auf die Waage bringt und ein Tritt von ihr auf den Fuß vermutlich zu Frakturen führen würde.

Am Abend fuhr ich mit Olaf nach Lagos. Wir hatten zuvor von Kathi den Auftrag erhalten, ein Paket mit Cremes fertig zu machen. Seit einiger Zeit betreiben Kathi und Stan eine Crememanufaktur: nuvem nove, eine wunderbar riechende Gesichtscreme, selbst hergestellt, Labortests bestanden, selbst vertrieben. https://www.nuvemnove.pt/ https://www.facebook.com/nuvemnove.pt. In Lagos hat Stan ein Appartement, dort lagern die Cremes und Verpackungsmaterial. Olaf verpackte die kleinen Tiegel liebevoll, ich trank Bier und genoss den Ausblick von der 7. Etage auf Lagos. Eine gute Arbeitsteilung. Am Folgetag war mein Auftrag, auf das go von Kathi zu warten, um das Paket an die Kirche im Dorf in der Nähe zu bringen. Der UPS-Fahrer findet die Quinta nie. Er kam – wie von ihr angekündigt – angefahren, quasi im Rollen nahm er das Päckchen durch seine Seitenscheibe an, guckte kurz auf das Etikett und fuhr davon.

Am Folgetag hatte ich neben kleinen Tätigkeiten frei. Ich fuhr das erste Mal nach Portimao. Dort führt mich mein Weg immer ins Aqua-Shopping-Center. Ich bräuchte eine Winterjacke und mal eine neue Armbanduhr. Ich mag es überhaupt nicht, in Hannover shoppen zu gehen, mache das gerne woanders auf der Welt. Winterjacke und Uhr – Fehlanzeige. Ich fand eine Trainingshose – und nein: Ich werde damit keinen Sport machen, sondern sie – wie inzwischen diverse i.d.R. junge bis mittelalte Kerle – und ja, Ihr bösen Mitlesenden, ich bin mindestens mittelalt – als Alltagshose tragen. Der Verkäufer grinste und fragte mich „You like Adidas?“. Ich konnte es nur bestätigen, Adidasjacke, -schuhe, -Umhängetasche zierten mich.

Nach Cafe und Schokocroissant fuhr ich noch zu Decatlon, holte Olaf eine wärmere Arbeitsjacke und-weste, traf noch Melli vor der Tür, die darum warb, dass ich Samstag mit ihr Zäune an einer Pferdekoppel aufbaue. Das überlasse ich Olaf, er darf darüber bestimmen, doch ist es vorrangig, ihm zur Hand zu gehen.

Heute ist… ja, genau: Donnerstag. Wie fast täglich begrüßt mich morgens die Sonne. Auch die Hunde fangen den Tag gemächlich an, strecken sich, gähnen genüsslich, und rekeln sich in der Sonne herum. Irgendwann tun sie dann so, als würden sie das Gelände bewachen. Meist schickt Lotte alle los, hält sich dann bellend im Hintergrund, während Gizmo voran läuft, gefolgt von Charlie.

Ganz nebenbei erfuhr ich eben von Olaf, dass morgen ein „mobile home“ geliefert wird, ein kleiner Wohncontainer auf Rädern. Später werde ich mit Olaf zu Birgit fahren. An einem Vordach ist etwas zu bauen. Außerdem erwartet sie Techniker, die die Solaranlage für den whirlpool (!) in Gang bringen. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass ich heute bei Dämmerung auf der Quinta von Birgit mit den beiden im whirlpool sitze.

Ich sag schon mal: Boa noite…

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