Quinta 2016 drei
01 Sep 2016, Posted by Portugal | 2016 in#sonnestreicheltseele#
Zum wiederholten Mal registriere ich einen deutlich anderen Zustand des Erlebens hier – zum vierten Mal sind wir Gast der Quinta Panoramica – weniger das Gefühl, „nur“ Gast zu sein, als mehr, zur Familie zu gehören. Was zeichnet den anderen Zustand aus? Zum wiederholten Mal habe ich bei der Vorbereitung der Reise etwas Arbeit eingepackt, ich könnte einen Bericht für den Verlängerungsantrag für eine Psychotherapie schreiben, ich könnte an einer Fortbildung, die ich Mitte September gebe, arbeiten – zum wiederholten Mal arbeite ich nicht – nicht daran zu denken im aktuellen tiempo-muerto-Modus! Dieser Gedanke führt zum anderen Zustand: Während außerhalb der Auszeit das Leben voller Aufforderungen ist, Aufgaben, die erledigt werden wollen, Termine, die anstehen, Pflichten, die darauf warten, wahrgenommen zu werden, gibt es hier in der Auszeit viel basalere Aufforderungen: Morgens wartet die große, noch unbewohnte Terrasse auf mich, die Sonne wartet ebenso, der noch nicht zubereitete Kaffee wartet darauf, gekocht zu werden, die Zigaretten darauf, geraucht zu werden. Doch bevor ich diesen Aufforderungen folge, wartet u.a. Freddy an der Tür unseres Appartements auf mich und möchte gestreichelt werden – das hat absolute Priorität… eine erste Runde um das Haus und allen Hunden, Katzen, Hühnern und Menschen erst einmal guten Morgen sagen, die früh morgens schon unterwegs sind. Heute morgen war auch Xavier unterwegs, der 15 Monate alte deutsch-kanadische Enkel von Olaf , er unterbrach mein Morgenritual, der Anblick des kleinen, etwas unsicher über die Terrasse laufenden Menschenkindes und sein Blick in meine Richtung waren Aufforderung genug – ich schnappte mir den Kleinen und ging erst Mal eine Runde mit ihm durch den Garten, um mit ihm im Hängestuhl eine Runde zu schaukeln. Freddy kam hinterher, setzte sich daneben und wartete geduldig darauf, erneut gestreichelt zu werden. Weitere Aufforderungen folgen an den Tagen, die für meinen Geschmack schon wieder zu schnell laufen – halt, stop, Zeit im Kopf ausschalten! – der Steppenwolf wartet darauf, dass ich mich wieder mit ihm befasse, der Strand wartet am Nachmittag darauf, von uns besucht zu werden, das Bier, getrunken zu werden, die Hunde, zum wiederholten Mal bekuschelt zu werden, die Menschen hier, um sich über Gott und die Welt auszutauschen… doch eigentlich warten die Terrasse, die Sonne, der Kaffee, die Zigaretten, Freddy, Xavier, der Steppenwolf, der Strand, das Bier und die Menschen nicht wirklich auf mich. Sie sind einfach da, ohne Erwartung, geben mir die Möglichkeit der Entspannung und der Sinnlichkeit.
Was gab es die letzten Tage? Sirius wurde zum echten Portugiesen! Viele Hunde tragen hier Spuren alltäglicher Auseinandersetzungen, denen sie weniger häufig als Haushunde in Deutschland ausgesetzt sind: Als wir mit Sirius am Stand waren, kam ein anderer Hund Meik ein paar Zentimeter zu nahe, woraufhin Sirius Meik bewachend knurrte – in Sekundenschnelle ergab sich ein ernster Kampf, Minuten später versorgten wir das blutende Ohr von Sirius und fuhren wir zur Quinta zurück. Ich erinnerte mich sofort, warum ich vor langer Zeit Medizin als Studium ausschloss: Ich mag den Anblick von Blut nicht – das Handtuch in das Sirius eingewickelt war, war voller Blut und im Hundeohr ein kleiner Schlitz. Da die Wunde mehrfach wieder aufging, besuchten wir die Tierärztin, die Sirius im Februar bereits impfte…
Alles halb so wild, Ohr behandelt, Medikamente, Hinweise zur Wundversorgung und Badeverbot mitbekommen. Der Strand wartete trotzdem weiterhin auf uns und Sirius blieb auf der Quinta, musste allerdings wenige Minuten von Olaf daran gehindert werden, unserem PKW hinterher zulaufen, bis wir außer Reichweite waren. Bei jeder Rückkehr empfing uns Sirius aufgeregt bellend und uns ausschimpfend…
Wir schnappten uns Sirius und seine Schwester Charly und machten einen Ausflug zum Stausee in der Nähe…
Zur Quinta Panoramica gehört ein sehr großes Areal, das zu Spaziergängen einlädt…
Der das Haus umgebende Garten ist voller Pflanzen…
Hunde, Hunde, Hunde und andere Tiere…
Es sind die sinnlichen Momente, die mich konstant umgeben, die mich in einen anderen Zustand bringen, die mich auffordern, sie zu riechen, zu schmecken, zu fühlen, sie wahrzunehmen, sie auszukosten. Da trotz aller Zeitlosigkeit auch hier der Verlauf der Zeit existiert und noch drei Tage verbleiben, um die Auszeit zu genießen und zugleich gelegentlich das Ende der Auszeit in meine Gedanken eindringt, besänftige ich mich mit der Fantasie weiterer Auszeiten – sehr wahrscheinlich, fast schon sicher, dass wir hierher zurückkehren werden… Ich höre leise Rufe… der Kaffee ruft mich und verlangt zubereitet zu werden…
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