Quinta Panoramica 2021 | Drei
29 Jul 2021, Posted by Quinta | 2021 inDarf ich vorstellen: Joao Negro, mein Gefährt für die Auszeit. Joao ist ganz ok, könnte einige PS mehr haben, leistet aber seine Dienste. Als Stadtmensch ohne PKW genieße ich es, selten mal einen Wagen zu leihen und herumzufahren. Ist ein wenig wie Fleisch Essen, Reisen usw. – die Dosis macht das Gift. Die Umweltdebatte ist so weit in mich eingedrungen, dass ich schon ein etwas schlechtes Gewissen habe, überhaupt ein PKW zu nutzen. Tja, auf Pferden reiten kann ich nicht, es gäbe ja genug hier, um sie als Verkehrsmittel zu nutzen…
So, jetzt mal konzentrieren – die Zeit fließt, viele erlebnisintensive Momente reihen sich aneinander, das Ganze immer leicht hitzebreit – so wie ich es liebe: Es ist Donnerstag, zumindest das weiß ich schon mal. Es ist kurz vor Mittag. Gestern war ich fast durchgängig auf der Quinta. Am späten Vormittag fuhr ich mit Olaf zu einem Feld in der Nähe, Tomaten und Melonen einsammeln, dazu gleich. Am frühen Nachmittag fuhr Joao Olaf und mich an einen Strand. Danach gab es Tomatenverarbeitung-Aktion. Schließlich wurde ich genötigt, beim Abendessen zeitweise „Die Bachelorette“ mit zu schauen. Der Abend endete auf der Terrasse, Kathi und Stan, der Geburtstag hatte, kamen noch dazu. Vor Mitternacht war ich im Bett, da mich das Tageslicht um 7 Uhr meist aus dem Bett befördert.
Tomaten und Melonen
Vorgestern erfuhr Olaf, dass 2 Pferde von einer Weide ausgebrochen sind. Es ist nicht sicher, ob sie wirklich selbst ausbrachen oder ob jemand das Gatter öffnete, da die Einzäunung intakt war. Die beiden liefen los und machten in einem kleinen Tomaten- und Melonenfeld eines Bauern Rast, aßen Tomaten und Melonen und zertrampelten einen Teil des Anbaus. Viele Geschichten leben von Übertreibungen, z.B. fangen Angler nicht Minifische, sondern 1 Meter lange Fische. Und die Durchschnittsgröße des wichtigsten männlichen Organs ist 25 cm lang, glaubt man Berichten, Feldstudien bringen ein anderes Ergebnis. Glauben wir mal, dass die beiden Pferde fast bis Lagos 12 km gelaufen sind. Sie wurden eingefangen und sicher untergebracht. Olaf vereinbarte mit dem Bauern, dass wir die nicht mehr verkäufliche Ware abholen. Auf dem Weg dorthin erfuhr ich einige Detail über Algarve Horsealarm (die durchschnittlichen Kosten, die ein Pferd auf dem Weg von einem geschundenen, abgeschobenen Lebewesen zu einem deutlich gesünderen und glücklicheren Tier produziert, die Weitervermittlung usw.). Insbesondere fand ich spannend, dass Olaf und Kathi in ihrem früheren Leben in Deutschland kaum etwas mit Pferden zu tun hatten. Am Tatort angekommen sammelten wir einige Tröge mit den Tomaten und Melonen. Einigermaßen erhaltene Tomaten sortierten wir aus, um sie am Nachmittag zu verarbeiten, die übrigen bekamen die Pferde und Schweine zu fressen. Wir aßen abends Nudeln mit einer leckeren Tomatensauce, der Rest köchelt in diesem Moment in der Küche vor sich hin.
In der Nähe des Tatortes war ein Weinfeld. Ich stahl eine Rebe für die Rückfahrt. Einige Abende zuvor gab es ein Streitgespräch zwischen Olaf und Kathi über die Qualität des Weines, der an der Algarve zunehmend produziert wurde, Olaf mag den Weißwein von der Algarve nicht sonderlich.
Nach kurzer Pause ging es an einen Strand…
Praia das Cabanas Velhas
Mein Gedächtnis für Namen ist miserabel. So weiß ich gelegentlich nicht, an welchen Strand wir fahren, wenn ein Name fällt. Joao folgte den Anweisungen von Olaf und fuhr uns zum Praia das Cabanas Velhas. Zu meinem Erstaunen kannte ich diesen Strand noch nicht. Wie alle Strände jenseits von Lagos in westliche Richtung, klein, aber fein und ein Unikat. Auch wenn sich die Felsformationen oft ähneln, jeder Strand hat seinen eigenen Charakter. Es ist Ende Juli, die derzeitige Wassertemperatur beträgt um 18 Grad. Ja, ich bin ein Warmduscher, es ist kalt in Anbetracht der Außentemperatur. Einmal ging ich bisher komplett ins Wasser, brrrrrrrrr. An diesem schönen Strand ging ich mit meinem dicken, langen Neo, der für kältere Jahreszeiten geeignet ist, ins Wasser, Olaf trug einen dünneren, kurzbeinigen Neo, wir sahen aus wie 2 Walrobben, aber fühlte uns im Wasser wohl. Bei meiner nächsten Tour bekomme ich einen kurzen Neo geliehen. Kann nicht sein, dass ich hier bin und nicht ins Wasser gehe – ich liebe das Meer. Umso mehr fiebere ich dem ersten Surfevent entgegen.
Inzwischen ist es 12:30 Uhr. Bevor ich aufbreche, beende ich diesen Post mit Worten und Bildern über einen zentralen Charakterzug der Quinta Panoramica: die Tierliebe.
Tierliebe
Meine vielen Aufenthalte auf der Quinta haben viele Spuren in mir hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass ich nicht seit 2014 immer wieder hier her gekommen wäre, wenn ich nicht auf die Menschen der Quinta, einschließlich einiger Freunde der Quinteraner, die mir auch sehr ans Herz gewachsen sind, getroffen wäre. Es sind Beziehungen zu subjektiv bedeutsamen Menschen, aber auch anderen Lebewesen, die das Leben lebenswert machen. Hier zu sein, ist das beste Antidepressivum der Welt. Über die Jahre fühle ich auch zuhause jene Spuren. Ganz eindeutig: Sirius, der schönste Podeagle (Mutter Lotte, die Podenco-Mix-Dame und der Vater, ein unbekannter Beagle-Mann) erinnert mich täglich an meine große Liebe Quinta. Es klingt schräg: Ich habe ab und zu in Hannover das Gefühl, dass meine intensivste und wichtigste Beziehung, die ich in Hannover führe, die zu Sirius ist, ich liebe diesen frechen Hund. Mein Blick auf Tier hat sich verändert, ich halte es zunehmend schlechter aus, wenn ich live oder medial mit Situationen konfrontiert werde, in denen Tiefe gequält werden (Tierhaltung, Fleischherstellung, Wildtiere, Natur) – das sind Momente, in denen ich nicht mehr als Verachtung für die Gattung Mensch empfinde. Wenn ich politisch etwas zu entscheiden hätte, dass würde ich dafür sorgen, dass Kinder in Kitas und Schulen ein Fach „artgerechter Umgang mit Lebewesen (Tiere, Pflanzen und Menschen) als Pflichtfach hätten. Neben Theorieunterricht gäbe es „Arche-Noah-Projekte“: Ferienlager auf Bauernhöfen, im Wald und in der Fleischindustrie. Jeder Fleischesser müsste die Erfahrung der Schlachtung und Verarbeitung von Tieren machen, auch ich habe diese Erfahrung nicht, wäre inzwischen bereit mich dem zu stellen. In der Tat kam eine solche Fantasie hier auf: Von den 12 Hühnern gibt es ein Huhn, das die anderen Hühner pickt und ab und zu jagt. Als ich das zum 2. Mal wahrnahm, nahm ich mir vor, das weiter zu beobachten. Ich sprach mit dem Huhn, das ich „Huhnflei“ taufte (viele Asiaten lassen beim Aussprechen des Wortes Hühnerfleisch einige Buchstaben weg, es klingt oft wie „Hunhflei“): Ich schimpfte mit ihm und sagte, dass es im Kochtopf landet, wenn es so weiter macht. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich mit einem Beil, mit dem ich das Huhn köpfe – und ja, da ich für die Hühnerfütterung in meiner Zeit hier zuständig bin, würde ich auch versuchen, das Huhn zu köpfen. Na ok, vorher müsste ich Olaf und Kathi fragen, ob das in ihrem Sinne ist und ob sie mir dabei helfen würden. Es gibt diverse weitere Situationen, in denen ich die Spuren meiner Erfahrungen auf der Quinta merke. Ich führe die Gedanken nicht weiter aus, es würde den zeitlichen Rahmen des Getippes sprengen.
Drei Beispiele der Tierliebe deute ich noch an. Das kleine Pony ist seit einem Jahr auf einer Weide von Algarve-Horsealarm, aktuell vor Ort. Es ist ca. 20 Jahre alt, hat ein ganz schlechtes Gebiss und war in schlechterem Zustand, als es ankam. Der Vorbesitzer wollte von dem Pony nichts mehr wissen (Arschloch). Das Pony mag keine umzäunten Areale, daher ist es aktuell an einem langen Seil und kann sich recht weit bewegen. Es ist ein offenes Projekt, es an Zäune zu gewöhnen. Es soll nicht mehr weiter vermittelt werden, es darf seine übrigen Lebensjahre hier verbringen.
Das Katzenbaby Frida, über das ich schon berichtete, war inzwischen beim Tierarzt. Es erholt sich aktuell sehr schnell. Tagsüber und Nachts ist es in einem Büro, in dem auch Kleidung auf einem Sofa liegt. Es hat dort Fressen, Trinken und ein Katzenklo. Frida nutzt vom ersten Tag an das Katzenklo. Stundenweise ist es bei Olaf im Appartement oder bei jemandem im Arm, es wird gelegentlich mit den erwachsenen Katzen und Hunden konfrontiert, um es langsam hier einzugewöhnen. Vorhin war ich dabei, als Kathi sich mit Frida beschäftigte, sie ist sehr neugierig, ist durchaus schon in der Lage neben jämmerlichem Schreien (vermutlich fehlen ihr die Mutter und die anderen Katzenbabys) ein niedliches Fauchen Richtung Hunde und sogar recht lautes Knurren zu produzieren. Sie hat mächtig Appetit, sie wird überleben. Zunächst lief Frida auf dem Tisch herum. Gizmo kam vorbei und beäugte Frida neugierig aus der Entfernung. Gizmo ist zwar ein großer, imposanter Hund, er wirkte etwas misstrauisch-ängstlich, hat sehr wahrscheinlich einige Erfahrungen von scharfen Katzenkrallen in seiner empfindlichen Nase gesammelt. Kurz Zeit später saß Kathi mit Frida bei den Hundekisten. Gizmo kam näher, Frida fauchte intensiv, Gizmo bellte laut mit seiner dunklen Hundestimmer. Ich sprang auf, um notfalls Gizmo aufzuhalten und wies ihn mit ruhiger Stimme an, sich hinzusetzen. Ich bin mir fast sicher: Wenn ich das nächste Mal hier bin, ist Frida eine schöne, sehr selbstbewusste junge Katzendame und ist mit Gizmo befreundet. Zunächst ein Bild von Frida auf dem Fensterbrett des Büros, sie hat sich schon gut erholt, auch ihr Auge wird unter der Antibiotikagabe besser.
Die Tiere leben hier mit den Menschen ein gutes Leben. Auf der Quinta bin ich mehr als sonst auch mit dem Sterben der Tiere konfrontiert. Für alte Tiere, wie zum Beispiel das Pony, ist die Quinta ein Gnadenhof. Zweimal saß ich an Hundegräbern, ich musste Fredy und Luna verabschieden. Heute morgen entdeckte ich im Hühnerstall die tote Coco. Gestern saß sie 2 x auf dem Boden, reckte ihren Kopf nach oben und öffnete immer wieder ihren Schnabel. Ich fragte Olaf nach dem Hühnerverhalten, er mutmaßte normales Hühnerverhalten bei Hitze. Heute morgen zeigte sich, dass Coco vermutlich krank war. Jetzt müssen wir die kommenden Tage beobachten, was die anderen Hühner machen. Sie sehen munter aus. Ich hoffe nicht, dass Coco an einer übertragbaren Hühnerkrankheit gestorben ist. Die Konfrontation mit dem Tod schloss ich damit ab, dass ich Coco aus dem Stall holte. Später werde ich sie wegbringen. Auch wenn Coco nur kurz hier war, sie hatte 4 Tage ein gutes Leben. Wie gut, dass die Bindung zu Hühnern in keinster Weise mit der Bindung zu Hunden und Katzen zu vergleichen ist. So war ich nur kurz etwas bewegt, holte Coco aus dem Stall und versorgte mit zwei kleinen Jungs neuer Gäste die Hühner mit Futter und Wasser. Das ist die Erfahrung mit Tieren, die ich ob en andeutete. Die Jungs waren neugierig und waren an der Hühnerfütterung beteiligt. Tschüss Coco, mach es gut. Auf dem Bild (von gestern) ist sie auf der linken Seite zu sehen.
Halb 2. Mal eben frisch machen, dann mache ich mich auf. Mal schauen, wo Joao mich hinbringt, ich bin mir sicher, dass wir nochmal kurz an einen Strand schauen. Ich werde auch einige Tage mit dem Bloggen pausieren. Am Wochenende melde ich mich wieder – bis dahin – knuuuuutsch.
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